Moderato cantabile (zum Buch von Marguerite Duras)

Interviews mit den Teilnehmern

Andreas Patton

– Vom Westen her kommt goldenes, warmes Abendlicht durch das viele Glas. Die Sonne sinkt tiefer, das Licht wird roter.
– Das ist der Ort, wo sich Chauvin und Anne einander nähern, auch die tote Frau lag in diesem Bereich.
– Der Junge sieht seine Mutter im Gegenlicht. Wenn er sich nach ihr umdreht, sieht er durchs Fenster die Schiffe.

Hier ist die fensterlose Außenmauer des Hauses, die Feuermauer. Nebendran ist gar nichts, da ist es leer. Innen, im Flur neben dieser Brandmauer, müsste eine Tür zu den hinteren Räumen des Cafés sein, weiter hinten ist eine Treppe. Die Front des Hafencafés ist aus Glas, vom Boden bis zur Decke, und auch die Tür ist aus Glas. Es gibt eine Messingstange, auf der ein schwerer Vorhang hängt, damit der Wind nicht hineinkommt. Die Tür steht offen, ich stelle es mir ziemlich warm vor. Gegenüber der Tür ist die Theke, dahinter eine Wand und ein Durchgang.
Chauvin steht am äußeren Eck dieser Theke, das ist der Ort, wo sich Chauvin und Anne einander nähern. Auch die tote Frau lag in diesem Bereich. Anne steht am Anfang weiter weg, dann kommen sie einander näher. Das hängt auch damit zusammen, dass die beiden näher zusammenrücken müssen, weil die Arbeiter kommen. Ich empfinde das als sehr eng in meiner Vorstellung. Es wird immer lauter, die Arbeiter wollen ja alle etwas trinken und stellen sich auch an die Theke.

Es gibt ein Licht über der Theke, ein Thekenschild. Die Wirtin schaltet es an, zuerst dieses Licht, dann erst die anderen Lampen im Café. Und wichtig ist auch die Tatsache, dass immer goldenes, warmes Abendlicht vom Westen her durch das viele Glas hereinkommt. Wenn die Sonne tiefer sinkt, wird das Licht immer roter.

Das Klavierzimmer liegt genau darüber. Vom Gefühl her liegt es genau über dem Kaffeehausraum. Für mich ist die ermordete Frau komischerweise direkt unter dem Klavier gestorben. Die eine Außenwand des Klavierzimmers ist aber auch wieder diese Brandmauer des Hauses. Da spießt sich etwas in meiner Vorstellung.

Das Haus hat drei oder vier Stockwerke. Wie groß es nach hinten hin ist, weiß ich nicht genau. Ich weiß nur, dass es da noch eine Küche gibt oder irgendwas, aber wie groß das ist oder ob es vielleicht noch ein Hinterhaus gibt, das weiß ich nicht. Unten, neben der Brandmauer ist der Hauseingang, daneben die Glasfront des Cafés, unterteilt in mehrere Segmente, aber die sind schon sehr groß. Hier, im unteren Bereich dieser Segmente stelle ich mir Messingstangen mit Vorhängen dran vor, eierschalenfarbenen. Darüber sind quadratische Fenster, vielleicht fünf je Stockwerk, alle gleich, ganz schmucklos. Und hier links oben sind die beiden Fenster des Musikzimmers, aber da spießt sich eben etwas.

Ich stelle mir das so vor, dass es vor dem Haus einen Gehsteig gibt, eine Grünfläche mit vereinzelten Bäumen, dahinter kommt die Straße, dann das Wasser. Und hier geht es so ein bisschen runter, zwei oder drei Stufen. Das ist auch, wo der Junge immer spielt. Dann hält er sich für mich auf diesem Rasen auf und springt da runter über die Straße, über das Kopfsteinplaster.
Die Arbeiter kommen entweder mit dem Boot herübergefahren oder die Straße entlang und gehen ins Café. Das sind Fabriksarbeiter, so richtige Malocher. Ich stelle mir vor, dass sie viel mit schwerem Metall zu tun haben. Sie tragen Schiebermützen, reden laut, trinken ihren Feierabendwein und rauchen Zigaretten.

Wichtig ist, dass das Licht im Klavierzimmer aus westlicher Richtung kommt. Der Junge sieht seine Mutter also im Gegenlicht. Wenn er sich nach seiner Mutter umdreht, kann er durchs Fenster die Schiffe sehen. Das Kind stelle ich mir dunkelhaarig vor. Für mich liegt sehr viel in seiner Verweigerungshaltung der Klavierlehrerin gegenüber. Das sagt für mich das Allermeiste über das Kind, wie es seine Weltentdeckung bringt. Es ist nie laut, kein Rowdy, kein Kind, das alle zwei Stunden eine Fensterscheibe zerschlägt.

Anne hat eher hellere Haare, nicht strohblond, aber auf jeden Fall blond. Sie hat glattes Haar, ich weiß nicht, ob sie es aufsteckt, aber sie trägt es nicht lang. Ich habe so ein Klischee im Kopf, das ist Hedda Gabler von Ibsen. Das ist eine gutbürgerliche junge Frau, die sich fürchterlich langweilt in ihrem Leben und daran zugrunde geht. Für mich gibt es da Parallelen. Der Mann, der ihr da begegnet, hat etwas, das sie noch nicht kennt und sie fasziniert. Beide wissen, dass es sehr gefährlich ist, was sie da treiben, deshalb sind sie auch immer an dieser Theke, bewegen sich aufeinander zu und wieder auseinander. Die Wirtin sieht das alles, kapiert genau, was da abgeht. Sie realisiert das Spiel, das die beiden miteinander treiben, vielleicht sogar genauer als die selber. Chauvin ist ein eher dunkler Typ, ein sehr viriler, schöner Mann. Beide haben für mich etwas sehr Ästhetisches, Feines. Möglicherweise ist sie sogar ein bisschen größer als er, macht aber nichts.