Moderato cantabile (zum Buch von Marguerite Duras)

Interviews mit den Teilnehmern

Amelie Haas

– Ich stehe als Betrachterin in der Tür des Klavierzimmers, mittig gegenüber dem Fenster, und beobachte die Szene.
– Im ersten Café sind die Tische rund, es gibt kein Tischtuch, die Platte ist aus gelblich beigem Metall.
– Im zweiten Café geht die Bar uns Eck. Anne behält den Blick nach draußen, Chauvin sitzt mit dem Rücken zur Tür.

Das Kind am Klavier. Die Mutter sitzt hinter ihm, neben ihm ist die Klavierlehrerin. Das Zimmer ist schattig, relativ dunkel, vielleicht sind da auch Vorhänge. Es hat etwas von einem altmodischen, eher stickigen Zimmer, aus dem man durch das Fenster ins Helle blickt. Draußen ist für mich alles blau, türkis, meeresfarben, und man sieht ein Boot vorbeifahren.

Ich stehe als Betrachterin in der Tür, mittig gegenüber dem Fenster, und beobachte die Szene. Es ist wie in einem Zoom, das auf das Klavier gerichtet ist. Ich sehe die Hände des Kindes und den Bleistift der Klavierlehrerin, mit dem sie auf die Tasten klopft. Dann weitet sich mein Blick aus und ich beobachte die ganze Szene, das quadratische Zimmer, dieses merkwürdige große Fenster. Bei alldem bleibe ich ruhig stehen und relativ nahe dran. Den Rest des Raumes habe ich nur gefühlsmäßig, aber ich nehme ihn nicht wirklich wahr. Einen ganz wichtigen Teil nimmt dieses Fenster ein. Sonst besteht die Einrichtung aus einem Teppichboden. Alles ist in sehr dumpfen, dunklen Farben gehalten. Es riecht auch nicht gut, alles hat etwas Dumpfiges. Dadurch wird diese Sehnsucht, die durch dieses Cinemascope-Fenster hereinkommt – der Himmel, das Meer, die vorbeifahrenden Boote – noch stärker. Das Zimmer hat etwas Beengendes, es ist kein Raum, in dem ich mich wohl fühlen würde. Und dann gibt es plötzlich diese Geräusche, die durchs Fenster hereinkommen, wobei man nichts sehen kann. In meinem Blick auf das Fenster verändert sich nichts, im Raum bleibt alles ruhig. Einzig das Kind reagiert auf den Schrei; es ist aber gehorsam genug, um einfach weiterzuspielen.

An der Straße gibt es eine Ecke und da ist das erste Café, in dem für mich der Mord geschieht. Genau gegenüber ist das Klavierzimmer, aber eben im vierten Stock. Man könnte zum Café hinuntersehen, wenn man zum Fenster ginge, aber das tun sie nicht. Das zweite Café befindet sich direkt am Meer. Es ist auch an einer Ecke, mit großen Fenstern auf die Promenade. Anne und das Kind kommen aus der einen Richtung, aus der anderen kommen die Arbeiter.

Erstes Café: Vor der Bar liegen die Tote und der Mörder. Da ist die Wirtin und Leute, die durch die großen Glasfenster hineinschauen. Alles ist ein bisschen altmodisch, ich würde sagen 50er oder 60er Jahre. Es gibt eine Art Linoleumboden; ich sehe dieses Café in dunklem Rot und Linoleumgrün. Wie der Raum genau mit Tischen versehen ist? Da bin ich mir unsicher, wie ich gerade merke. Also, ich sehe in der Diagonale die Tote und ihren Mörder da liegen. Zuerst gehe ich quasi mit Anne mit, die durch die Menge geht, dann habe ich als Zuschauerin das Glück, noch näher an die eigentliche Handlung heranzukommen. Das nimmt mich so gefangen, dass ich nicht mehr auf den Restraum achte. Er liegt im Halbschatten, es ist also nicht sehr hell, wie überhaupt alle Innenräume eher dunkel sind.
Im zweiten Café geht die Bar leicht schräg ums Eck. Am Anfang steht Chauvin an der Bar und liest seine Zeitung, dann stellt sich Anne dazu, während das Kind aus und ein läuft. Später wählen sie sich einen Tisch aus. Anne behält den Blick nach draußen und Chauvin sitzt mit dem Rücken zur Tür. Hier ist es heller als im ersten Café, wobei ‚hell’ vielleicht übertrieben ist, aber es ist immer noch ein ganz starker Unterschied zwischen innen und außen. Es ist der am stärksten von Licht durchflutete Raum in dieser Geschichte.

Die Tische sind rund und aus Metall. Es gibt kein Tischtuch, die Platte ist aus gelblich beigem Metall. Die Stühle haben dunkelrote Kunststoffpolster. Von der Bar weiß ich nur, dass sie ums Eck geht, und dass die Wirtin irgendwo an der Kasse hantiert, Gläser abtrocknet oder ihr rotes Strickzeug betätigt. Sie hat nicht wirklich freie Sicht auf Chauvin und Anne, die da sitzen, und es interessiert sie auch nicht. Es läuft Radiomusik, das ist sehr wichtig für mich. Und es gibt eine Uhr. Die Zeit, bzw. die zeitliche Begrenzung dieser Situation ist ja immer ganz wichtig. Nicht nur durch die Sirene aus der Fabrik, sondern auch durch die Ankündigung dieser Sirene, z. B. „jetzt sind es noch zehn Minuten, dann kommen die Arbeiter“. Die Arbeiter sind eher schattenhaft, sie vermitteln nur das Gefühl, dass der Raum voll wird. Sie verändern die Raumwahrnehmung, aber ich weiß nicht, wie sie aussehen, was sie anhaben oder wie viele es sind. Chauvin ist kleiner als Anne. Er ist ein dunkler Typ, dunkles Haar, Südfranzose. Er ist von der ersten Wahrnehmung her wahrscheinlich kein auffallend schöner Mensch. Sie ist groß und schlank mit blonden, eher längeren Haaren. Sie hat etwas Feines – feingliedrig, schlank, groß, aufrecht.