Intérieurs
Zu den Arbeiten von Siegrun Appelt im Kunstverein Friedrichshafen Vorübergehender Aufenthalt in einer anderen Stadt: Graz, Salzburg, München, Berlin oder anderswo. Angekommen in einem Hotelzimmer legt man sich auf das hergerichtete Bett.
Da man in einer anderen Stadt, in einem anderen Zimmer, in einem anderen Bett nicht einschalfen kann oder will, beginnt der Blick ziellos umher zu schweifen. Er gleitet über die leeren Wände, die weiße Decke, bleibt hängen an der Zimmerlampe und ihren filigranen Details, wandert wieder über leere Wände, streift den Vorhang und die Vorhangschiene, dann wieder: die leeren Wände, wandert weiter zum Kleiderschrank, verweilt hier und verweilt dort, nichts-suchend-nichts-findend, tastet sich an Rändern und Ecken entlang, durchmißt plan- und ziellos den kalten, fremden Raum.
Ein müder Blick, ein dämmriger, Entspannung und Zerstreuung suchend, nicht gelenkt, nicht konzentriert, ein mehr und mehr abschweifender, über die konkreten Dinge hinweggehender Blick, einer, der nach und nach durch das Wahrgenommene hindurch in innere Räume und innere Welten hinüber gleitet.
Ein leerer Blick, der am wahrgenommenen Außen erlahmend nach innen schaut vermittelnd im Spannungsverhältnis von Anonymität und Intimität.
Da ist zum einen das menschliche, das individuelle Auge, das Auge der Person, die sieht. Da ist aber zum andern auch noch, deutlich sichtbar, das technische und apparative Auge, das in diesem Fall als eingeschaltetes Medium mit sieht.
Erkennbar die runde Linse der Kamera, die objektiv und buchhalterisch Lichtresorption und absorption festhält und die Brechungen des Lichtes wiedergibt. Für sie zählen nur: Licht oder Nicht-Licht.
Ihr eigen sind darüber hinaus: die Verzerrung der Geraden, die stürzenden und fluchtenden Linien. Zu sehen auch das Korn des Filmmaterials, die Pixel des digitalen Bildes. Desweiteren Lichtreflexe und Spiegelungen überhaupt: Fehler und Mängel, technisch bedingt.
Zum Schluß: die Reproduktion, der sogenannte Print. Die matte Oberfläche, die Farbtemperatur (der ‚Farbstich’) des einzelnen Abzugs, herrührend von materialen und persönlichen Präferenzen, das Bildformat, die direkte Anbringung auf der Wand des Ausstellungsraums, so dass sich Wand und Raum vervielfältigen.
All dies zusammen genommen ergibt das, was wir hier sehen: neun Aufnahmen von vier verschiedenen Innenräumen drei davon Hotelzimmer mit den Zimmernummern 28, 3 und 9, eines ein Mietzimmer mit der Hausnummer 12. Jeweils im Liegen, vom Bett aus mit der Fotokamera aufgenommen. Und (im Video zu sehen): ein privater Wohnraum als virtuelles Puzzle sich zusammensetzend aus insgesamt 56 jeweils 15 sekunden dauernden Standbildern.
Intérieurs’ ‚Innen-Räume’ ist der Titel dieser Arbeiten von Siegrun appelt, die hier im Kunstverein Friedrichshafen ausgestellt sind.
(Andrea Hoffmann)